Foto: © Olaf Jürgens
WHB. Heimat. Westfalen.

Anpacken statt Komfortzone - 67. Westfalentag in Siegen setzt Zeichen für starke Demokratie

04.06.2024

Heimat braucht Haltung - das Thema des diesjährigen 67. Westfalentages des Westfälischen Heimatbundes (WHB) am 25. Mai in Siegen hätte nicht aktueller sein können. Denn diese Heimat gerät zunehmend unter Druck. Über 300 Teilnehmende aus der westfälischen Engagementlandschaft, Politik und Verwaltung befassten sich mit Engagement für Zusammenhalt und Demokratie. Dabei bot der Westfalentag vielfältige inhaltliche Impulse, Gelegenheit zu Austausch und Vernetzung - ein Fest des Ehrenamtes für Demokratie.

Bei seiner Eröffnung betonte Landesdirektor Dr. Georg Lunemann, Vorsitzender des Westfälischen Heimatbundes: "Es gibt keinen Markenschutz für den Begriff Heimat. Umso mehr braucht es eine klare Positionierung. Wir verstehen Heimat gerade nicht als idyllischen Ort des Rückzugs und der Abschottung, sondern als gemeinsamen Verantwortungsraum." Namentlich die vielen freiwillig Engagierten stünden für eine Haltung des Anpackens. "Heimat lebt von einer aktiven Zivilgesellschaft, in welcher Menschen das eigene Lebensumfeld gestalten und Sorge tragen für eine offene, plurale Gesellschaft, sich gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus stark machen, auch auf Sylt! Heimatarbeit ist gelebte Demokratiearbeit. Demokratie ist Bühne - nicht Zuschauerraum."

Nach einer digitalen Videobotschaft des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, hielt Bundespräsident a. D. Christian Wulff die Festrede. Seine brillante Analyse der Gesellschaft in Deutschland war präzise Inventur und bewegender Weckruf zugleich. "Wann, wenn nicht jetzt, werden alle aufwachen, wenn wieder auch von jungen Leuten Nazi-Parolen in diesem Land gesungen werden. Es ist etwas ins Rutschen gekommen und 2024/2025 könnten zu Schicksalsjahren der Demokratie werden." Wulff appellierte, dass jetzt alle ihre Verantwortung erkennen müssen. Dabei sah er insbesondere auch die Familien und die Nachbarschaften in der Pflicht. Für eine enkeltaugliche Zukunft gehe es um Kooperation statt Konfrontation. Dafür gelte es auch, Menschen mit Einwanderungsgeschichte für das Land zu gewinnen, statt sie zu ignorieren oder oft nur zu problematisieren.

Landrat Andreas Müller, der als Vorsitzender des Heimatbundes Siegerland-Wittgenstein zum Westfalentag mit eingeladen hatte, lobte das vielfältige Ehrenamt in der Region. 67 Prozent der über 18-Jährigen sind hier laut frisch erschienenem Ehrenamtatlas freiwillig engagiert - die zweithöchste Quote in NRW. Siegens Bürgermeister Steffen Mues freute sich anlässlich des 800-jährigen Jubiläums der Stadt, im Rahmen des Westfalentages Teilnehmende aus dem ganzen Landesteil in der grünsten Großstadt Deutschlands begrüßen zu dürfen. Eine besondere Ehre wurde dem ehemaligen Bundespräsidenten Wulff und Landesdirektor Lunemann mit dem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt zuteil.

Die Grundrechte zum Klingen brachte im wahrsten Sinne des Wortes der Aalto Kinderchor aus Essen, einer der Preisträger des Songcontests des Landesmusikrates Nordrhein-Westfalen im Rahmen des 75. Geburtstags des Grundgesetzes. Der Chor unter Leitung von Patrick Jaskolka beeindruckte das Publikum mit seiner Interpretation der Artikel 1 (Würde des Menschen) und 10 (Briefgeheimnis, Post- und Fernmeldegeheimnis) sowie drei weiteren Stücken aus seinem Repertoire.

Wie erreichen wir diejenigen, die wenig Vertrauen in Demokratie und Beteiligungsprozesse haben? Wie geht man im Engagement mit extremistischen Anfeindungen um? Mit diesen und vergleichbaren Fragen befasste sich die Gesprächsrunde unter Leitung von WHB-Geschäftsführerin Dr. Silke Eilers. Gute Formate politischer Bildung für junge Menschen stellte Dr. Andreas Schulze, Leiter des Regionalbüros Westfalen der Konrad-Adenauer-Stiftung vor. Den Zusammenhang von Regionalentwicklung und Demokratieförderung beleuchtete Hubertus Winterberg, Geschäftsführer der Südwestfalen Agentur. Olaf Kemper, stellvertretender Vorsitzender des Heimatbundes Siegerland-Wittgenstein, betonte die Bedeutung von Dritten Orten für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Stefan Rieker vom Paritätischen NRW ging auf die Ansprache bildungsferner und benachteiligter Gruppen sowie Unterstützungsmöglichkeiten für Engagierte ein.
Ein abwechslungsreicher Markt der Ideen im Foyer gab unter dem Motto "Abenteuer Heimat" Gelegenheit, die Aktivitäten ehrenamtlicher Akteure aus Siegen-Wittgenstein und regionale Besonderheiten wie etwa die Backeskultur und das Haubergswesen kennenzulernen. Darüber hinaus waren verschiedenste Multiplikatoren mit ihren Angeboten vertreten.

Nachmittags wurde in einem gut nachgefragten Workshop über die Geschichte der westfälischen Heimatvereine diskutiert. Alternativ vermittelte das Exkursionsprogramm bei strahlendem Sonnenschein Einblicke in die gastgebende Stadt Siegen. Hier standen unter anderem Stadtführungen, das Haus der Musik, das Siegerlandmuseum im Oberen Schloss und eine Bergbauwanderung auf dem Programm.